• Zur Ruhe kommen

    Entspannung finden und loslassen

    Kreativ den eigenen Weg gehen

    Die innere Stimmenvielfalt sortieren und das wirklich Wichtige herausfiltern

  • Klangmassagen

    Bei einer Klangmassage werden Klangschalen auf den bekleideten Körper aufgesetzt und angeschlagen bzw. angerieben oder direkt über den Körper gehalten, ohne ihn zu berühren. Auf diese Weise überträgt sich der Schall des erzeugten Tons auf den Körper. Dies wird als Vibration im Körper wahrgenommen. (Wikipedia)

  • Klangmeditation

    Liegend oder sitzend entspannen und loslassen - die Klänge von Planetenschalen und anderen Instrumenten geniessen, sich von einer Geschichte oder Gedankenübung abholen und entführen lassen, vom Lärm und der Unruhe des Tages abschalten, einfach durchatmen, bei sich sein.

  • Malen und Schreiben

    Auf großformatigem Papier entstehen Seelenlandschaften oder gegenständliche Arbeiten. Dazu formulieren wir persönliche Kraftsätze.

    Nach einer Meditation als Einstieg fliesst eine Geschichte aus Deiner Feder, die von Dir schon immer erzählt werden wollte – ich schaffe den Rahmen für Deinen kreativen Schöpfungsprozess und gebe Dir dabei Unterstützung.

Meine Märchen - Das Genie

Das Genie

 

Es war einmal ein Genie. Es hielt sich zwar nicht selbst dafür, aber alle anderen um es herum sprachen kaum von etwas anderem. Es schätzte sich eher als durchschnittlich, naja, vielleicht ein wenig überdurchschnittlich begabt ein und spielte seine Fähigkeiten lieber herunter. Natürlich wusste es, dass es gut zuhören konnte, auch konnte es dies alles sehr gut für sich behalten. Aber es scheute sich, anderen einen Rat zu geben. Vielleicht, weil es glaubte, die Menschen trügen alle Antworten selbst in sich. Doch darüber sprach es mit niemandem.

Es lebte in einer Strohhütte nahe am Flussufer. Morgens, wenn es aufstand, wusch es sich im Flußwasser, sommers schwamm es auch ein kleines Stück flußaufwärts und ließ sich dann gemächlich und genüssich zurücktreiben. Er kannte seine Umgebung gut, jeder Stein sprach für es Bände, jedes Entenpaar mit seinem Nachwuchs erzählte ihm vom neuen Tag.

Die Hütte selbst war einfach eingerichtet, eine Hängematte, ein kleines Regal mit Teller und Tasse, ein paar andere Utensilien. Es glaubte fest daran, dass darin sein Reichtum lag, dass es mit Würde auf vieles verzichten konnte.

Es liebte es so sehr, knifflige Aufgaben zu lösen. Dabei lag es entweder in seiner Hängematte, ordnete seine Gedanken, griff alte Gedankengänge wieder auf, verwarf Einbahnstraßen und dachte wieder und wieder um die Ecke. Oder es unterhielt sich mit anderen aus dem Dorf und erhielt dabei Anregungen, die es gut in Gedächtnis verwahrte, um daran weiter zu arbeiten, wenn es alleine war.

Teilweise dachte es sich knifflige Aufgaben auch selbst aus. Da es aber auch für seine Fähigkeiten bekannt war, kamen viele Leute auch von fern, um ihre Probleme vorzutragen und Lösungen dafür zu kriegen.

Eines Tages traf es eine Indianerin, die den weiten Weg zu Fuß auf sich genommen ahtte, da sein Ruf auch ihr Dorf erreicht hatte. Sie brauchte Hilfe, weil sie kein Geld hatte, um für sich und ihre Kinder zu sorgen. In ihr Dorf kamen immer wieder Eindringlinge, die alles Hab und Gut forderten. Sonst, so drohten sie, würden sie das Dorf verzaubern. Doch nun war die Ernte schlecht gewesen, und es reichte im Dorf kaum, um über den Winter zu kommen. Die Eindringlinge jedoch ließen sich kaum beschwichtigen und blieben bei ihren Forderungen, die halbe Ernte sofort mitzunehmen und in zwei Monaten wieder zu kommen, um den Rest zu holen.

Das Genie war erst einmal ratlos. „Wie oft“, dachte es, „habe ich nur so zum Spaß knifflige Aufgaben gelöst? Und jetzt muss ich wirklich eine gute Lösung finden!“ Zwei Tage und drei Nächte lag es in seiner Hängematte, schaute durch das Kaminloch in den blauen Herbsthimmel oder in die sternenklare Nacht, hörte tags die Vögel zwitschern und nachts das Käuzchen rufen. Es suchte und kramte in seinem Kopf, raufte sich die Haare, kratzte sich hinter den Ohren und wusste nicht weiter.

Nach diesen zwei Tagen und drei Nächten kam es zu dem Schluss, dass es in seiner Strohhütte nicht die Lösung finden konnte. Es hatte nie die Erfahrung gemacht, etwas anderes Wertvolles als sein Leben zu besitzen. Es entschied, mit der Indianerin in ihr Dorf zu gehen. Das Genie war sich sicher, dort würde es eine brauchbare Lösung finden können.

So fuhren sie auf einem Lastwagen tagelang über holprige Straßen, Staubwirbel nahmen ihnen die Sicht. Alle Knochen taten allmählich weh, seine Sinne wurden dadurch jedoch nur noch mehr geschärft. Längst war aus der Straße eine Piste geworden, der Staub dem Schlamm gewichen, da es angefangen hatte zu regnen.

Sie landeten schließlich vor einem Schloss, das weder die Indianerin kannte noch das Genie hier erwartet hatte. Es ließ den Lastwagen hier anhalten, stieg ab und klopfte an dem Türklopfer an dem großen schmiedeeisen bewehrten Tor. Das Tor öffnete sich quietschend, doch niemand war zu sehen, der den Mechanismus bestätigt hatte. Das Genie ging unbeirrt weiter, instinktiv wissend, dass es hier der Lösung schon viel näher war. Es stieg eine gewundene Treppe nach oben, betrat einen Spiegelsaal, in dem Hunderte von Kristallkugeln hingen, in denen sich das Licht in allen Farben des Regenbogens brach. Es blieb stehen, betrachtete sich eine Kugeln näher und sah darin seine Strohhütte gespiegelt. Verdutzt studierte es die nächste, dann die nächste, dann noch weitere. Alle zeigten ihm andere Plätze auf der Welt, alles Orte, die es nicht kannte. Es war doch nie aus seinem Dorf heraus gekommen, die Leute kannten ja es und kamen zu ihm.

Aber es kannte die Orte indirekt aus den Erzählungen seiner Besucher. So glaubte es auch das Dorf der Indianerin aus deren Schilderungen wiederzuerkennen. In dieser Kugel hingegen fehlte die Farbe BLAU. Sie strahlte nur in Gelb und Rot, Orange und Weiß. Diese Kugel hing an einem goldenen Faden von der Decke. Alle anderen, so stellte es erstaunt fest, waren an Perlenschnüren aufgehängt.

Behutsam durchtrennte es den Goldfaden der Indianerdorfkugel und die Perlenschnur seiner Strohhüttenkugel und tauschte beide Kugeln kurzentschlossen aus. „Meine Strohhütte,“ so entschied das Genie aus dem Herzen heraus, „kann ruhig verlorengehen, wenn ich dafür vielleicht das Dorf der Indianerin retten kann.“

Langsam verließ das Genie den Spiegelsaal, schloss alle Türen hinter sich, ging die gewendelte Treppe wieder nach unten, durchschritt den Garten und traf die Indianerin beim Tor wieder. Sie hatte geduldig hier gewartet. Zu Fuß setzten sie ihren Weg fort. Es war keine große Eile mehr, ins Indianerdorf zu kommen. Der Bann des Zaubers war gebrochen. Das wusste das Genie in seinem Innersten und das spürte auch die Indianerin.

Im Dorf der Indianerin angekommen, begrüßte sie ein Kind mit den Worten: „Wir Kinder des Dorfes haben Dir eine Hütte aus Stroh gebaut am Fluss, damit Du frühmorgens gleich schwimmen kannst. Und in der Hütte hängt eine Hängematte aus Maistroh geflochten, damit Du uns hier das Denken lehren kannst.“

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie, denken sie und handeln sie  intuitiv bis heute.

vom 15. Okt. 1993